Wir dokumentieren hier die Prozesserklärung von Claudia, die sie am ersten (und einzigen) Prozesstag vorgetragen hat, weil sie auch eine sehr gute Zusammenfassung der Ereignisse um sie und den Park herum bietet.
Prozess-Erklärung 26. Nov. 2010
Ich werde heute beschuldigt, in drei Fällen Widerstand gegen PolizeibeamtInnen geleistet sowie einen Polizeibeamten und einige Mitarbeiter des privaten Sicherheitsdienstes des Mövenpighotels beleidigt zu haben.
Diese Vorwürfe weise ich auf das Schärfste zurück!
Mir geht es aber heute erstmal darum, festzustellen, dass ich seit Jahren vom Hamburger Staatsschutz und der Hamburger Polizei in enger Zusammenarbeit mit den Betreibern des Mövenpighotels mit repressiven Maßnahmen überschüttet werde.
Im Januar 2005 wurde mit dem Bau des 4-Sterne-Luxushotels im Schanzenpark und der damit einher gehenden Zerstörung des Wasserturms begonnen. Von Anfang an gab ein breites Bündnis von AnwohnerInnen, das sich an Aktionen und Demonstrationen beteiligte und es gab und gibt noch immer allgemein einen großen Widerspruch zu diesem Projekt, dass nach wie vor ein Symbol für die neoliberale Umstrukturierung städtischer Räume ist. Darüberhinaus entwickelte sich eine breitere Bewegung gegen die Privatisierung öffentlicher Räume, Umstrukturierung, Vertreibung und Repression.
Bereits während der Bauphase, die immerhin über zwei Jahre andauerte, wurden massive Polizeikräfte rund um die Uhr im Park postiert.
Dies ging einher mit der repressiven Anwendung des neuen Hamburger Polizeigesetzes, das dem Staatsschutz und der Polizei freie Hand gibt, nun auch gegen unliebsame Menschen aus dem politischen Widerstand vorzugehen. Es wurden Hunderte von Platzverweisen aus den fadenscheinigsten Gründen erteilt; immer mit den Schlagworten „Nähe zum gefährdeten Objekt“ oder wahlweise „zur Gefahrenabwehr“ versehen. Die nunmehr per Gesetz verankerten „verdachtsunabhängigen Kontrollen“ wurden massiv durchgeführt.
Nach einiger Zeit änderte sich das Verhalten der im Schanzenpark eingesetzten BeamtInnen dahingehend, dass gezielt gegen GegnerInnen des Hotels vorgegangen wurde. Ich selbst gehöre, wie auch der Polizei schon damals bekannt war, seit 2004 dem „Freien Netzwerk zum Erhalt des Schanzenparks“ an und habe mich stets offen gegen das Luxushotel gewandt.
Diese Tatsache und meine häufige Anwesenheit im Park (ich nutzte zum damaligen Zeitpunkt und auch heute noch den Schanzenpark mit meinen Kindern, Freunden und Bekannten sowie meinen Hunden) nahmen die PolizeibeamtInnen zum Anlass, mich gezielt zu verfolgen und zu schikanieren.
Anfangs wurden nur Platzverweise, insgesamt ca. 70, mit den absurdesten Begründungen ausgesprochen, z.B. „Ihre Anwesenheit im Park ist Provokation genug“ oder das Telefonieren mit dem Handy wurde als konspiratives Verhalten bezeichnet usw.
Später folgten unzählige Bußgeldbescheide wg. des Mitführens von Hunden. O-Ton eines Beamten: „Wir können Sie auch finanziell fertigmachen!“ Gezielte Verfolgungen durch den ganzen Park mit bis zu 15 PolizeibeamtInnen im Abstand von nur wenigen Metern waren an derTagesordnung. Dies alles auch im Beisein meiner damals 7 und 11 Jahre alten Kinder und deren FreundInnen.
Durch die permanente Verhängung der Platzverweise war ich teilweise gezwungen, den Park nach nur wenigen Minuten wieder zu verlassen, um einer Ingewahrsamnahme zu entgehen. Die Dauer dieser Platzverweise für das gesamte Areal und die umliegenden Straßen betrug bis zu 12 Stunden, so dass bereits zu diesem Zeitpunkt von einem faktischen Parkverbot gesprochen werden konnte.
Da ich mich durch diese Schikanen nicht vertreiben ließ, gingen die PolizeibeamtInnen dazu über, verhängte Platzverweise innerhalb von Minuten umzusetzen. Es wurde mir nicht die Zeit gelassen, den Park zu verlassen, sondern es erfolgte die sofortige Ingewahrsamnahme.
Ich habe mich daraufhin so organisieren müssen, dass ich vor jedem Parkbesuch eine Versorgung meiner Kinder durch Familie, Freunde und Bekannte gewährleisten musste.
Nach der heimlichen Hoteleröffnung im Juni 2007 musste auf Grund weitergehender Proteste und Aktionen vom Hotel ein privater Sicherheitsdienst eingesetzt werden. In enger Kooperation mit der Polizei gingen die repressiven Maßnahmen, jetzt auch von dieser Seite aus, weiter.
Nun diente plötzlich ein angeblich verhängtes Hausverbot als Grundlage zur Eröffnung diverser Strafverfahren. Dazu möchte ich anmerken: zu keinem Zeitpunkt wurde mir ein Hausverbot erteilt!
Und Tatsache ist, dass im Februar 2010 endgültig vom Oberlandesgericht Hamburg entschieden wurde, dass in keinem der angeklagten Fälle jemals der Tatbestand „Hausfriedensbruch“ erfüllt wurde. Bereits das Landgericht Hamburg hatte zutreffenderweise festgestellt, dass die den Turm umgebende Grünfläche kein befriedetes Besitztum darstelle, sondern von der Gesamtgestaltung eher zum Betreten des Grundstücks einlade! Die Betreiber haben das Urteil zum Anlass genommen, eine geringfügige Veränderung der Heckenbepflanzung vorzunehmen.
Auch angebliche Sachbeschädigungen wurden hinzugezogen, um weitere Verfahren einzuleiten. Eine angebliche Sachbeschädigung bezieht sich darauf, dass ich eine Grünpflanze zertreten haben soll. Beamte des LKA 7, Abteilung Linksextremismus, ließen es sich nicht nehmen, in den Park zu eilen und Fotos von dieser Pflanze anzufertigen, die sich im Nachhinein nicht als zertreten, sondern als kleinwüchsig herausstellte!
Gerade der angebliche Straftatbestand „Hausfriedensbruch“ wurde immer wieder dafür benutzt, mit z.T. heftiger körperlicher Gewalt gegen mich vorzugehen, so dass ich mich des Öfteren in notärztliche Behandlung begeben musste.
Als damaliger Höhepunkt muss das im Dezember 2007 verhängte Aufenthaltsverbot für große Teile des Schanzenparks gesehen werden. Ein wüstes Sammelsurium an älteren und neueren Verfahren, gepaart mit einer „analytischen Einschätzung“ des Staatsschutzes wurde für ein dreimonatiges Aufenthaltsverbot benutzt.
Als das Oberverwaltungsgericht Hamburg eine Stellungnahme der Hamburger Polizei einforderte, wurde dieses Verbot sofort und ohne Angabe von Gründen aufgehoben. Es war juristisch völlig unhaltbar, wurde aber auf Grund der absichtlich verlangsamten Bearbeitung seitens Verwaltungsgericht und Polizei 10 Wochen aufrechterhalten.
Während des Aufenthaltsverbots, die Bereitschaftspolizei war inzwischen aus dem Schanzenpark abgezogen worden, übernahmen die StreifenbeamtInnen sowie die die zivile P-Schicht des PK16 meine „persönliche Betreuung“.
Nun wurde ich regelmäßig von diversen Streifenwagen durch den Park begleitet. Die vermeintlich unsichtbaren ZivilbeamtInnen versteckten sich z.B. im Gebüsch und hinter Bäumen, um sicherzustellen, dass ich das verhängte Aufenthaltsverbot auch einhalte. Diese permanente Überwachung gipfelte darin, dass sich des Öfteren Streifenwagen und/oder zivile Polizeifahrzeuge vor meiner Haustür bzw. in den umliegenden Straßen postierten, um meine Wege zu beobachten.
Zu den mir heute gemachten Vorwürfen nehme ich wie folgt Stellung:
In keinster Weise wurde von mir eine Widerstandshandlung begangen, genau so wenig wurden PolizeibeamtInnen oder Mitarbeiter des privaten Sicherheitsdienstes von mir beleidigt.
Vielmehr wurde ich auch in diesen Fällen massiv von PolizeibeamtInnen angegriffen und verletzt. In einem Fall war ich dazu gezwungen, mich durch die mir zugefügten Verletzungen einer kiefernchirurgischen Operation zu unterziehen.
Das Einleiten dieser unsäglichen Verfahren diente und dient ausschließlich dazu, mich zu drangsalieren und ein Exempel zu statuieren. Bis heute dauern die repressiven Maßnahmen an, auch Jahre nach Fertigstellung des Hotels und auch an anderen Orten und zu anderen Anlässen. So wurde ich z.B. auf einer Demonstration von einem Polizeibeamten, der lange im Park postiert war und heute auch als Zeuge geladen ist, durch einen gezielten Tritt so verletzt, dass ich mich auch da einer späteren Operation unterziehen musste. Auch in diesem Fall wurde ein Verfahren wg. einer angeblichen Widerstandshandlung gegen mich eingeleitet.
Was den Schanzenpark betrifft, lässt sich feststellen, dass die Polizei weiterhin als Erfüllungsgehilfin für das Hotel agiert, gerne bereit ist, die Interessen eines Privatunternehmens auch mit Gewalt durchzusetzen.
Nach wie vor ist es wichtig, sich dem entgegenzustellen und den öffentlichen Raum nicht den Begehrlichkeiten von Privatinvestoren zu überlassen!
– Gegen Repression und Kriminalisierung!
– Fight Gentrification!