Baubeginn im ... ???

Der von der Patrizia Projektentwicklung GmbH so vollmundig erst für Juli, dann für August, September, Oktober und zuletzt für November 2004 angekündigte Baubeginn für das geplante 4-Sterne-Hotel im Wasserturm konnte wiederholt nicht eingehalten werden. Aktuell wird nun der Monat "zeitnah" (?) genannt.

Im Frühjahr 2004 trafen sich eine Reihe von Menschen aus dem Karolinen- und Schanzenviertel, um dieses geplante Projekt letztendlich zu verhindern. Wir organisierten uns im sog. "Freien Netzwerk zum Erhalt des Sternschanzenparks"; nach einer gut besuchten Informations-Veranstaltung folgten eine Reihe von verschiedenen öffentlichen Aktionen: Info-Tische bei Mövenpick im Hanseviertel, mehrere (zwar kleine, aber feine) Demonstrationen durch die Stadtteile rings um den Schanzenpark herum und auch zu Wasser, ein Besuch im Mövenpick-Café, um die dortigen MitarbeiterInnen und Gäste zu informieren usw.

Der Sternschanzenpark ist eine öffentliche Grünfläche und das Naherholungsgebiet für die umliegenden Stadtteile. Durch einen städtebaulichen Vertrag aus dem Jahre 1996 zwischen dem Bezirksamt Eimsbüttel und dem sog. Investor Storr werden die öffentlich-kulturellen Veranstaltungen im Park zugunsten der privat-kommerziellen Nutzung des Wasserturms streng reglementiert (die Dauer des Open-Air-Kinos, die Anzahl von Kinderfesten etc.): doch auch außerhalb des Parks bleibt es nicht folgenlos: so mussten der Flohmarkt und das regelmäßig stattfindende Motorradtreffen von der Strasse Sternschanze woandershin verlegt werden. Nicht vertraglich vereinbart, aber politisch und polizeilich vollzogen werden schon jetzt Schikanen und Willkürmaßnahmen gegen ParkbesucherInnen (Personenkontrollen und Platzverweise, Verbote kleinster Grillfeuer wg. Gefahr für Sicherheit und Ordnung oder Musik machen wg. Lärmverstoß in einem Erholungsgebiet [!] etc.).

"Wir wehren uns dagegen, dass es in dieser Stadt völlig selbstverständlich sein soll, alles, was irgendwie verwertbar ist, auch in die Verwertungslogik gepresst wird. Darüber hinaus bekommt der sog. Investor nicht nur geschenkt, was eigentlich uns gehört, sondern erwirbt dazu das Recht, den verbleibenden öffentlichen Raum als sein Einflussgebiet zu betrachten und zu bestimmen, wer dort Zugang erhält und was dort passieren darf. Polizei und Stadtverwaltung agieren entsprechend als Vollstrecker." (aus der Rede auf der Demonstration am 23. Sept. 2004)

Gegen eine solche Zweckentfremdung öffentlicher Räume ist zur Zeit ein juristischer Widerspruch beim Rechtsamt des Bezirks Eimsbüttel in Arbeit; bis zum jetzigen Zeitpunkt (10.11.2004) ist noch keine Entscheidung gefällt worden, sie allein hätte auch bei Erfolg keinen Baustop zur Folge. Doch einer scheint wieder mehr zu wissen, Bezirksamtsleiter Mantell: "Er (der Widerspruch) beziehe sich auf Formalien und sei überdies nicht von Anwohnern vorgebracht worden, also unzulässig." (taz, 22.10.2004)
Zu Punkt 1: bei den scheinbar so nebensächlichen Formalien geht es immerhin um den Bau bzw. Nutzung zu kommerziellen Zwecken mit weitreichenden Folgen in einer ausgewiesenen Grünfläche;
zu Punkt 2: wo kein/e KlägerIn ist (sein darf, weil die Betroffenen angeblich zu weit weg wohnen), ist auch keine Klage; dies macht aus einem illegalen aber immer noch keinen legalen Vorgang!
Doch ist dies kein Standbein unseres Widerstandes, wir verlassen uns nicht auf die Gerichte. "Der grundsätzliche Widerstand hat sich erledigt. Wir sind optimistisch, dass mit dem Umbau im Oktober begonnen werden kann." (Jürgen Kolper, Geschäftsführer der "Patrizia Immobilien AG") So konnten wir am 7. August 2004 in der Bild-HH lesen.

Nur ein paar Wochen später sahen sich die Investoren allerdings genötigt, viel Geld für Öffentlichkeitsarbeit auszugeben. Es wurde eine aufwendige Broschüre an viele Haushalte rings um den Schanzenpark verteilt (diese wurden für 4 Cent je Stück von Kindern während der Schulzeit in die Briefkästen geworfen), in der "auch auf die Argumente der Kritiker" eingegangen wird, "um zu einer sachlichen Diskussion beizutragen." Gleichzeitig wurde ein Internet-Auftritt zum Thema "Hotel im Wasserturm" produziert, zufällig unter einer Internetadresse, die unserer Adresse (www.schanzenturm.de) nicht ganz unähnlich ist. Auch hier war der Versuch, sich anzubiedern, nicht gerade von Erfolg gekrönt: so musste nach Anrufen von empörten Eltern/Vereinsmitgliedern und der Androhung einer Abmahnung ein Bild mit Kindern im Trikot des SC Sternschanze von der Seite entfernt werden (in der Broschüre wurde dies Bild allerdings auch abgedruckt), Und auch der Versuch, den Radiosender Freies Senderkombinat (FSK) mit einzubeziehen, scheiterte; nach Intervention von FSK verschwand dieser Hinweis umgehend.
Ganz offensichtlich haben es die Investoren nötig, einen Haufen Geld auszugeben, um sich bei den AnwohnerInnen des Parks anzubiedern und zu versuchen, Vorbehalte und Skepsis in den umliegenden Viertel gegen dieses Hotelprojekt zu beschwichtigen. Zweifellos ein Erfolg des bisherigen Widerstandes und der Aktionen.

Doch schrecken sie auch nicht davor zurück, sich einiger Sympathieträger in den Vierteln (wie z.B. SC Sternschanze und FSK) zu bedienen, um Verunsicherung und Spaltung produzieren zu wollen. Im selben Rahmen ist auch die Informationsveranstaltung am 21. Oktober 2004 zu sehen, ein "hochrangig" besetztes Podium wollte versuchen, auch auf diesem Wege KritikerInnen zu besänftigen. Eine Einladung, ebenfalls auf dem Podium zu sitzen, hatten wir dankend abgelehnt, wir machen diese scheinbar demokratischen Spielchen nicht mit, über vorgegebene und bereits entschiedene Inhalte "sachlich" miteinander zu reden!
Unter der Überschrift "Keine Diskussion möglich" schrieb das Eimsbüttler Wochenblatt zu dieser Veranstaltung (Ausg. v. 29.10.2004):
"Die Infoveranstaltung zum Wasserturm-Hotel musste abgebrochen werden. Im Durchgang zur Schule Altonaer Straße herrschte am vergangenen Donnerstag der Ausnahmezustand. Polizisten durchsuchten Besucher, die zur Informationsveranstaltung wollten, wie vermeintliche Straftäter.
Die Gegner des Hotels im Wasserturm gelangten trotz aller Kontrollen in den Pausensaal der Schule. Als Bezirksamtsleiter Dr. Jürgen Mantell die Anwesenden begrüßte, bekam er ungewohnt starken Beifall. Laute Zustimmungsrufe und rhythmisches Klatschen erschwerten allen Besuchern das Zuhören. Als Elisabeth Will, Vorsitzende des bezirks-übergreifenden Neuner-Gremiums, über die Wasserturm-Historie berichten wollte, stieg der Lärmpegel noch einmal an. Immer wieder klatschten die zumeist jungen Hotel-Gegner, stimmten Sprechchöre an und jubelten der Rednerin zu. Die Dia-Vorführung der Turm-Investoren Patrizia GmbH lief danach unter ohrenbetäubendem Lärm ab. Als auch in der folgenden Frage-und-Antwort-Runde keine Ruhe einkehrte, brach Bezirksamtsleiter Mantell die Veranstaltung ab....Die Hotel-Gegner kündigten weitere Protestaktionen an. So soll bei Baubeginn - Termin voraussichtlich im November - eine Demo am Schanzenbahnhof stattfinden."

Erwähnt werden soll hier noch, dass noch viele Interessierte draußen bleiben mussten und dass der Bezirksamtsleiter folgendes ausgemacht haben will: "Rund die Hälfte der 150 Anwesenden wollten sich über die Umgestaltung des Hotels informieren." In der Tat waren nach dem Abbruch der Veranstaltung vereinzelte Gesprächsgrüppchen zu sehen, doch setzten sich diese eher aus bekannten "Persönlichkeiten" aller Parteien aus den umliegenden Vierteln nebst Journalisten und nur ganz wenigen anderen Menschen zusammen.

Natürlich sehen wir dieses Hotelprojekt nicht isoliert, sondern in Zusammenhang mit der Messeerweiterung und der schon länger stattfindenden Veränderung im Schanzen- und Karolinenviertel. Schon im Frühjahr war im Zusammenhang mit dem Hotel vom "Wandel vom chaotischen Gründerzeitkiez zum schniecken Geschäftsstandort" und einer "Pole-Position" zu lesen ("Die Welt"). Es geben sich weiterhin auch einige Ladenneueröffnungen Mühe, dieses mit Inhalt zu füllen.

Andererseits können wir erleben, wie Menschen ihr Viertel aufgrund dramatisch steigender Mieten verlassen müssen oder als "Anderslebende" einfach weggeräumt werden wie jüngst die BewohnerInnen des Bauwagenplatzes Wendebecken (um dort dann eine neue öffentliche Grünfläche (= Park) anzulegen!). Erinnert sei hier auch noch einmal an den Kiosk auf dem Vorplatz am S-Bahnhof Sternschanze: zahlreiche Nutzer erhielten dort Platzverweise, der Kiosk durfte nicht wieder aufmachen, jetzt werden eben diese Menschen, die sich nun bei Minimal und dem Laden in der Amandastrasse treffen, weiter schikaniert und auch dort mit Platzverweisen bedacht.

Warum der lange angekündigte Baubeginn immer wieder verschoben wird, lässt sich nicht so einfach beantworten. Wir wissen nicht, welchen Einfluss der von uns mit Unterstützung von AnwohnerInnen eingelegte Widerspruch hat, ob die Behörden oder auch Investoren dadurch zu umständlichen Nacharbeiten gezwungen sind, immerhin tauchten Lücken in den Unterlagen auf, die erst mal geschlossen werden müssen.
Es wurde auch bekannt, dass ein wohl schon älteres Statik-Gutachten eingereicht wurde, welches vom Bezirk Eimsbüttel nicht anerkannt wurde. Dies erklärt auch die seit dem 8. November 2004 am Wasserturm stattfindende Kernbohrung, die nach Aussage eines Bauarbeiters vor Ort für ein neues Statik-Gutachten benötigt sei. Eine endgültige Baugenehmigung liegt ebenfalls noch nicht vor, eine Baustelle kann aber eingerichtet werden.
Es wurde allerdings auch von technischen Problemen gesprochen, z.B. war völlig unklar, wie der Kran, der das Innenleben des Wasserturms entfernen soll und immerhin ca. 40 Tonnen wiegt, auf dem früher extra aufgeschütteten Hügel stehen soll, ohne dass der Kran wegsackt. Dies scheint nun dahingehend gelöst worden zu sein, dass die beiden Wasserbecken im Turm auseinandergeschweißt werden sollen und dann in kleineren Stücken abtransportiert werden sollen (wobei sich dann hier das Problem der festen Zufahrten für die 12t-LKW's stellt).

Der Leiter des Denkmalschutzamtes stellte dazu fest, dass es in den vergangenen Jahrzehnten nur einen Vorschlag gegeben hätte (Museum), bei dem diese Becken erhalten geblieben wären; dies fand er einerseits schade, gab sich andererseits aber nun auch zufrieden: "Der Gewinn, den wir haben ist, dass die städtebauliche Dominante erhalten bleibt." (taz, 22.10.2004)
Aber auch nicht so ganz. Unter Denkmalschutz steht lediglich die "Außenhaut" des Wasserturmes und die Projekt Wasserturm GmbH & CO KG (s.u.) erhält vom Denkmalschutzamt € 740.000 für den Erhalt dieser Fassade, obwohl diese sehr wohl verändert werden soll durch neue Fenster und Fassadenelemente etc.

Apropos Gewinn: Inwieweit die Finanzierung inzwischen gesichert ist, können wir nicht sagen. Die Augsburger Patrizia AG hat sich einen unternehmerischen Satelliten geschaffen, der die Baumaßnahme im Sternschanzenpark wirtschaftlich trägt und dessen Baugenehmigung mittlerweile rechtlich angegriffen wird (s.o.): die sog. Projekt Wasserturm GmbH & Co KG.
KG steht für Kommanditgesellschaft. Wer eine solche Unternehmensform wählt, hat meist das Interesse, einen Teil des mit Verlust eingesetzten (Kommandit-)Kapitals umgehend über steuerliche Erstattungen zurück zu bekommen. Es ist ein Steuer-Sparmodell für sehr wohlhabende Menschen. Der Umbau des Wasserturms in ein Luxushotel und die dazu gehörenden Baumaßnahmen (Tiefgarage, Zufahrten) wird ca. 50 Millionen € kosten. Diese Investition wird die Projekt Wasserturm GmbH & Co KG so abrechnen und bilanzieren, dass davon mindestens 12,5 Millionen € über eine Gutschrift bei der Einkommenssteuer den beteiligten KapitalgeberInnen bzw. KommanditistInnen zurückgegeben wird. Diese Art der Plünderung öffentlicher Haushalte ist im übrigen kein ungewöhnliches Beispiel, sondern direkte Folge der neoliberalen Politik und wird oft praktiziert. Personell gut besetzt ist das Ganze auch, ist doch u.a. mit Harald Boberg ein Mensch am Wirken, der nicht nur im Aufsichtsrat der Patrizia AG sitzt, sondern gleichzeitig Schatzmeister und stellvertretender Landesvorsitzender des Wirtschaftsrates der CDU Hamburg ist. Ein richtiger Schelm, wer Böses dabei denkt!

Der Mövenpick-Konzern, geplanter Betreiber des geplanten Hotels, hat auch im ersten Halbjahr 2004 wieter Minus gemacht (umgerechnet ca. 2 Mio. €). Auch für einen Konzern kommt sicherlich erschwerend hinzu, dass gerade in Hamburg seit geraumer Zeit ein Überangebot an Hotelzimmern existiert; die teilweise schon zu Dumping-Preisen angebotenen Zimmer erwirtschaften keinerlei Gewinn mehr; dies kann natürlich von Hotel-Ketten leichter aufgefangen werden, verringert jedoch das Minus auch nicht. Unserer Meinung nach muss der Park in seiner jetzigen Funktion erhalten bleiben und weiterhin wie bisher genutzt werden können. Der Wasserturm muss der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden; nicht nur wegen seiner europaweiten Einmaligkeit sondern auch aufgrund seiner historischen Symbolik: durch die Inbetriebnahme dieses Wasserturms verbesserte sich Anfang des letzten Jahrhunderts die hygienische Situation für 104.000 umliegende Haushalte: zum ersten Mal wurden sie morgens und abends mit Frischwasser versorgt. Durch eine Nutzung als Hotel verschwände der Turm aus dem "sozialen Gedächtnis" der Stadt.

Wir werden uns in unserer Öffentlichkeitsarbeit und Aktionstätigkeit weiterhin nicht beirren lassen. Auch ein eventueller Baubeginn wird unseren Widerstand nicht beenden. Für uns ist Baubeginn, wenn die Baustelle eingerichtet wird (Bauzaun aufstellen etc.)

Für den Tag X - Baubeginn - und den folgendenden Tagen ruft das "Freie Netzwerk für den Erhalt des Sternschanzenparks" zu kreativen Aktionen auf. Nähere Informationen werden folgen.

Kein Hotel im Wasserturm !!!
Für den Erhalt des Schanzenparks !!!
Keine Privatisierung öffentlicher Räume !!!

"Rückbau" der Gehwegverbreiterung durch Autonome Parkwächter
"Rückbau" der Gehwegverbreiterung durch Autonome Parkwächter

Bohrungen am Turm
Neulich im Park:
Rambo vs. Wasserturm

Sternschanzenpark
Der Schanzenpark wird von den Anwohnern als Naherholungsgebiet geschätzt

 

Polizeikontrollen im Park
Vermehrte Kontrollen der Besucher des Parks

 

Das Städtebauliche Denkmal soll in ein Luxushotel umgebaut werden
Das Städtebauliche Denkmal soll in ein Luxushotel umgebaut werden

 

Turm Innenansicht
Turm Innenansicht
(Klick zum vergrössern